[Startseite][Kirche]Andacht am 18.2.2006

Andacht am 2. Mittwoch nach Epiphanias (18.2.2006)

Tageslosung

"Ein Ochse kennt seinen Herrn und ein Esel die Krippe seines Herrn; aber mein Volk versteht’s nicht." (Jesaja 1,3)

Auslegung

Unsere Losung steht im Alten Testament. Das Losungswort ist etwa 2 700 Jahre alt. Die Pyramiden der Ägypter standen schon seit 1 800 Jahren, Rom war – der Legende nach – gerade gegründet.

"Höret, ihr Himmel, und Erde, nimm zu Ohren, denn der HERR redet! Ich habe Kinder großgezogen und hochgebracht, und sie sind von mir abgefallen! Ein Ochse kennt seinen Herrn und ein Esel die Krippe seines Herrn; aber Israel kennt's nicht, und mein Volk versteht's nicht."

Jesaja, der den Text geschrieben hat, ist ein Prophet, also einer, der im Namen Gottes spricht, aus dessem Munde der "HERR redet." Jesaja wendet sich an die Israeliten, die er mit Eseln und Ochsen vergleicht. Und zwar so, dass die Tiere besser wegkommen als die Menschen.
Esel und Ochse stehen bei uns ja nicht hoch im Kurs. Aber das war in der alten Zeit anders: Esel sind Lasttiere, deren Hufe dem trockenen und steinigen Boden gut angepasst sind. Sie brauchen wenig Nahrung und Wasser. Sie waren die PKWs des Altertums. Die Ochsen, die LKWs gewissermaßen, sind zwar kräftig wie die Stiere, aber wegen der Kastration als Arbeits- und Zugtiere gut zu nutzen.
Jesaja führt Esel und Ochse an, um zu zeigen, wie sehr es mit Israel und seinem Volk bergab gegangen ist. "Wehe dem sündigen Volk!" – Wehe. Wir alle haben den Ausruf irgendwann einmal gehört. Wir haben hier einen Gott, der droht, einen Zeigefinger-Gott. Und es gibt gute Gründe: verwüstetes Land, verbrannte Städte, geplünderte Felder. Ganz offensichtlich spricht Jesaja hier von einem Krieg, der Israel heimgesucht hat. Und er sieht diesen Krieg als eine Strafe Gottes. Eine Strafe des Zeigefinger-Gottes.

Es gibt Menschen, die halten sich für fromm, weil sie solche Texte gerne lesen. Sie halten sich für fromm, weil sie anderen mit einem Gott drohen, vor dem sie selber Angst haben. Sie rufen ihren Zeigefinger-Gott an und denken dabei an Ehebruch, Pubertät und Ladendiebstahl. Aber es geht um anderes: "Was soll mir die Menge eurer Opfer? … wenn ihr auch viel betet, höre ich euch doch nicht; denn eure Hände sind voll Blut. … Lernet Gutes tun, trachtet nach Recht, helft den Unterdrückten, schaffet den Waisen Recht, führet der Witwen Sache!"
Jesaja verurteilt religiöse Heuchelei und falsche Gebete. "Lernt Gutes tun" heißt: Wir sollen schauen, was wir Gutes tun können, und nicht nur, was andere unterlassen sollen! Und es geht um die Unterdrückten, um Witwen und Waisen.

Abschließend möchte ich daran erinnern, dass der Prophet Jesaja nicht nur Drohreden enthält, sondern auch Heilsversprechen. Es hat neben dem Zeigefinger-Gott immer auch den Gott gegeben, der die Versöhnung gesucht und uns schließlich unsern Bruder Jesus gesandt hat.
Amen.


[nach oben] | [Startseite][Kirche]Andacht am 20.8.2008