Zuletzt bearbeitet am 20. Januar 2009
Der folgende Text ist kein lyrisches Meisterwerk. Ich habe damit versucht, meine Auseinandersetzung mit Hegel zu einem vorläufigen Abschluss zu bringen, der die Hauptgedanken seiner Seins- und Wesenslehre in die Form des epischen Hexameters fasst.
Weltgeist, Dich hatte der Altmeister Hegel als Schlussstein gesetzet,
haltend des Erdkreises Pracht, einstens in Preußens Berlin.
Nie wirst Du tragen die Welt von dem Ort aus, der Auschwitz erwählte,
Juden zu töten nach Plan in einer Todesfabrik.
Weltgeist - so dürfen wir niemals mehr nennen, was irgend dem Kopfe
hüpft vom Gehirn in den Mund, schamlos verwirrend das Volk.
Geiste Europas - so will ich im neuen Jahrhundert Dich suchen:
zeige nun Deine Gestalt, Altmeister Hegels Idee!
Denkst du, so bist du bei dir, und du bleibest unendlich so lange,
bis du zu reden beginnst: endlich dann zeigt sich dein Geist.
Reden nun musst du, wenn wahre Gedanken ans Tageslicht treten.
Doch der gesprochene Satz ist in sich selbst schon begrenzt.
Ewige Wahrheit benannten die Alten als erstes mit Sein, das
ruhend ohn Ende in sich jeder Benennung entflieht.
Weder Benennung noch Grenze zu tragen, das kommt auch dem Nichts zu,
dem es gebührt wie dem Sein, dass es Gedanke uns sei.
Sein wie auch Nichts sind im Flusse des Werdens mit ihrem je eignen
Schwerpunkt das Kommen und Gehn, wahrend im Dasein ihr Recht.
Etwas und Andres begrenzen in schlechter Unendlichkeit, welchem
niemals ein Ende sich zeigt, fänd nicht das Etwas sein Eins.
Dieses ist Fürsichsein, wahre Unendlichkeit, welche nach außen
Einzelnes bleibt nicht allein. Ewiges dann sich bewahrt,
steht es mit Vielen beisammen und meidet vereinsamte Leere.
Dass es so Eines sich bleibt, macht seine Wahrheit uns aus.
Nun, da es Wahrheit als Eines ist, kann es entheben sich jedes
Namens, der beigelegt wird, da es für sich wohl besteht.
Gleichgültig ist jetzt sein Name, gleichgeltend den Vielen, wird's zählbar.
Zahlen bezeichnen, was bleibt, wenn's kein Benennen mehr gibt.
Da sie bestimmunglos, taugen sie, alles zu zählen, was auftritt:
reiht sich ein weiteres an, zwängt es verengend hinzu.
Weite und Dichte - sie reihen Beträge, und nirgends ein Ende
findet je die Prozedur; sinnlos nur wächset die Zahl.
Stehen die Zahlen jedoch nicht allein, sondern gegeneinander,
solchem Verhältnis als Maß hebet das Zählen sich auf.
Maße beschreiben ein Selbst, das als Dasein im Mehr oder Minder
bleibend sich hält. Es erhebt Regel nun deutend ihr Haupt.
Doch wie sehr Regel auch sucht zu behalten ihr Dasein im Fortgang,
schlägt ihre Qualität um: maßlos durchbricht sie ihr Selbst.
Allesumfassend ist Wahrheit, wenn keine Bestimmung sie eingrenzt.
So spricht der Geist uns vom Sein, eh er's entfaltend zerlegt.
Sein wird zur Zahl und so aller Bestimmungen fähig. Das Rechnen
lockt den Gedanken zum Spiel, ordnet im Dreisatz die Welt.
Tritt dieses Denken ins Maß und verbindet die Zahl mit Bestimmung,
bricht ihm die Regel entzwei, um sofort neu zu entstehn.
Wozu auch immer sie wird, immer bleibt sie uns Regel. Und damit
wird für den Geist ein Substrat, welches Veränderung trägt.
Ruhige Einfachheit setzt sich Bestimmungen. Andres geworden,
bleibet in sich reflektiert Wesen als scheinendes Selbst.
Oft wird gelehret, dass alles im Fluss sei. Und mühsam nur zapple
haltlos in herrischer Flut stromwärts getrieben der Mensch.
Uns Europäern ist's üblich geworden, in Ich-Form zu reden,
sei sie uns brüchig auch heut, lockt sie oft trügend aufs Eis.
Denken und Ich sind zusammengewachsen in unserem Geiste.
Wir können anders nicht sein, fest hält Gewohnheit den Blick.
Schicksal jedoch bleibt Gewohnheit nicht, wenn sie die Freiheit entdecket,
welche die Tatkraft erweckt, fügt zum Entschlusse den Mut.
Hebtest du je deinen Atem, als von dir du warfest den Albdruck,
nie willst du kriechen zu dem, der dir bekümmert dein Selbst.
Gingen bisher uns Bestimmungen über und unter, so wird das,
Wesen sich als Reflexion, zeigend im Andern den Schein.
Wesen und Widerspruch gehen den Weg des Erkennens gemeinsam:
einmal bewahrendes Selbst, sind sie zugleich Negation.
Widerspruch denket zusammen zum einen Vermittlung, zum andern
Unmittelbares. Zu zweit gehen sie immer den Weg.
Unmittelbare Gedanken - sie halten Erkanntes gesichert,
schirmen es damit jedoch ab von lebendigem Tun.
Dies wirft vermittelnd ein ängstlich Bewahrtes respektlos und mutig
in jenen Taumel zurück, oft nicht mal wissend, wozu.
Ruhe und Maß, Turbulenzen und Strudel bestehen gemeinsam:
pendelt im Strudel das Lot, gibt ihm die Ruhe Gewicht.
Identität ist Beziehung zu sich. Doch Verneinung desgleichen
bleibet im Denken Bezug, der nun auf's Andere geht.
Unterschied wird reflektierendem Wesen in dem, was verschieden
oder ein Gegensatz ist und zu dem Grunde es führt.
Stehet ein Grund fest, gehört, auf ihn weisend in Einfachheit, eine
Existenz gleichfalls dazu, die alles Vorher verschlingt.
Satz vom zureichenden Grunde vergleicht unsre Welt einer Kette,
Glieder stets reihend sich, die Grund wie Begründetes sind.
Was sich in endloser Folge von Gründen behauptet, gehört den
Dingen an, welche bestehn, Andres verdrängend als Selbst.
Gründe bewahrend, zeigt die Existenz sich als Ding, und so hat es
Eigenschaft, die es bestimmt, aber sie bindet nur schwach
sich an das Ding als ein Haben. Denn hat es nur Eigenschaft, bleibt ihm
fremd, was ihm Eigen nur schafft, aber ein Selbst ihm nicht ist.
Form und Materie bilden zusammen ein Ding. Reflexion ist
einmal in sich als der Stoff, andernmal Andrem als Form.
Tätige Form, unterscheidend Materie, tragenden Stoff, sie
kündet das Wesen im Schein, der durch Veränderung lebt.
Wesen, du musst uns erscheinen. Was nie uns erscheint, ist daher auch
nie uns ein Wesen. Das halt fest, wenn Erkenntnis du ehrst.
Wesen, verweigernd dem Schein sich, ist leeres Geschwätz, das nur tauget,
irre zu führen den Geist, Menschen zu zwingen ins Joch.
Welt der Erscheinung ist Nebeneinander von dem, was bestehet
mit dem, was nicht mehr, noch nicht oder in Anderem ist.
Inhalt und Form - sie verschränken sich so, dass das eine im andern
findet entgegengesetzt, was es zum Ganzen umschließt.
Welt wird Verhältnis, das eines zum andern ergänzt. So tritt vor uns
Schein, der ins Andere geht, Einheit im Gegensatz bleibt.
Unmittelbares Verhältnis ist Ganzes, in Teilen sich zeigend,
die erst als Ganzes das sind, was jedes Teiles bedarf.
Weisend auf Andres, das fremd ihm geworden, doch selbst sich bewahret,
wird das Verhältnis zur Kraft, die in die Äußerung geht.
Mit dieser Äußerung, fremd ihrer Kraft, die sie schuf, gehen beide
aus dem Geschehen der Welt, Spuren verwischend dem Geist.
Werden jedoch ihm die Fährten gelegt, die im Anderen künden,
was sich im Inneren birgt, Äußrung zum Äußeren wird.
Tritt nun das Innre ins Äußere, dass es in Einfachheit zeiget,
was die Vermittlung entlässt, Wirklichkeit nennt es der Geist.
Wirklich ist alles, was möglich und wofür gereift ihm die Zeit ist:
jenseits von Zufalls Gewalt, der sich zum Fallen bestimmt.
Wir, die in Raumzeiten leben, bewegen im Möglichen, wägend
bisher Erfahrnes mit des zukünftgen Weges Option.
Steht Existenz neben Wirklichkeit, zeigt jene Schein, der begründet
tritt ins Erkennen hinein, diese tritt äußernd hinaus.
Ist in dem Schein noch Verwirrendes, täuschend Erkenntnis und Sprache
wirkt in der Wirklichkeit, was unsrem Erkennen gemäß.
Doch dass Erkenntnis nicht allmächtig sei, wird erfahren im Zwang der
Notwendigkeit, die alsbald demütigt menschlichen Stolz.
Kann wohl ein Mensch allzuoft ein Verderben erschauen voraus sich,
machtlos doch bleibt er dem Zwang, wenn er auch Zwingendes kennt.
Wie aber immer das Notwendge herrschet, es bleibet dem Menschen
immer ein Haupt, das er hebt, wenn er aus Schwachheit erstarkt.
Hebt er den Zwang auf, indem er ihn einlädt, wie Emmaus' Jünger
luden den Herren zum Mahl, wendet zur Freiheit sich Not.
Darf er erfahren, dass niemals ihn tiefer lässt fallen der Herr, als
bergend in göttlichen Arm, wird das Erkennen Begriff.
Uwe Heiland
Berlin, im September 2003