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Zuletzt bearbeitet am 25. Januar 2009

HEGELs Vorlesungen über Gottesbeweise

[Vorbemerkung: Der vorliegende Text ist ein Exzerpt, das aus der suhrkamp-Ausgabe, "Philosophie der Religion", Bd. 2, erstellt worden ist. Jeder einzelne Satz des folgenden Textes gibt i.d.R. je einen Hauptgedanken eines Druckabsatzes wieder. Der letzte Satz, mit dem jedes Vorlesungskapitel abschließt und der grau umrahmt ist, soll den Kern, so wie ich ihn sehe, nochmals zusammenfassen.]

1. Vorlesung

Die Vorlesungen über Gottesbeweise haben den Glauben zum Gegenstand. HEGEL ordnet den Glaubensbegriff dem Christentum zu. Dieses habe die Natur des Geistes am deutlichsten ausgesprochen. Der Kern des Glaubens ist das Denken, Denken aber ist Freiheit. Zur Freiheit gehört notwendig Selbstbesinnung. Historisch hat das im Abendland zum Gegensatz GlaubefVernunft geführt.

Eine Etappe in diesem Konflikt ist die Untersuchung von Erkenntnis überhaupt gewesen. HEGEL verfolgt nicht ein Erkennen des Erkennens, sondern rechtfertigt das Erkennen am Erkennen Gottes. Im Gottesbeweis erhebt sich das Denken zu Gott. Erkennen heißt hier, der Selbstbewegung des Geistes zuzusehen; er wird darauf in der fünften Vorlesung zurückkommen.

Gott zu beweisen heißt, der Selbstbewegung des Geistes zuzusehen.

2. Vorlesung

Der Beweisgang, der Selbstbewegung des Gegenstandes zuzusehen, wird gegen andere Beweisarten abgegrenzt. Dabei ist das Verhältnis von unmittelbarem und vermitteltem Wissen in den Blick zu nehmen. Im geometrischen Beweis liegen seine einzelnen Schritte im Beweisenden. Daneben gibt es noch Wissenschaften, die ihre Erkenntnisse aus der Erfahrung nehmen. Aber auch sie arbeiten mit Begriffen, die im Beweisenden liegen: Gattung, Art, Gesetz, Kraftetc. Die Tatsache, dass ein Beweis mit subjektivem Tun verschränkt ist, führte in der Philosophie der Neuzeit zur Methodenkritik. Ihr wichtiges Resultat ist, dass o.g. Beweisarten nicht geeignet sind, Ewiges zu erkennen. Sie sind denkende Tätigkeiten, die außerhalb ihres Gegenstandes liegen. Das dialektische Denken setzt diesen Gegensatz von Denken und Gegenstand nicht absolut. Da mathematische Beweise Äußerlich-Seiende (Größe, Eins/Vieles) zum Gegenstand haben, können sie nur äußerlich bleiben. Die Schlussregeln der Logik beziehen sich auf den Umfang, den einzelne Sätze haben. Die Erkenntnisse der Erfahrungswissenschaften sind Abstraktionen des Gegenständlichen. Es ergibt sich, dass die denkende Tätigkeit für sich zu betrachten ist. Dem korrespondiert, dass sich der Glaube auf sich bezieht und keine Vermittlung zulässt.

Da jeder Mensch seine Persönlichkeit in den Erkenntnisprozess einbringt, muss er zur Selbstbetrachtung kommen.

3. Vorlesung

Das Verhältnis von Glauben und Wissen ist gespannt. Es gibt Glaubensrichtungen, die das Wissen für unfähig halten, absolute Wahrheit zu erkennen. Glauben gehört dem Bewusstsein an: man weiß von den Inhalten, ist sich derselben gewiss. Jedes Wissen ist sowohl unmittelbar als auch vermittelt. Das christliche Gottesbild stellt Gott als Vermittlung mit sich selbst dar [unendliche Vermittlung]. Diese zeigt sich in der Liebe. Das Bild des Weltenschöpfers allein reicht nicht, den christlichen Gottesbegriff zu erfassen. Gott ist weder eine Kraft, die nur in die Welt hinausweist, noch eine Kraft, die eines Äußeren bedarf, um überhaupt zu existieren. Das Christentum beschreibt Gott als Geist. In seinem Sohn verhält er sich zum Anderen seiner als Liebe. Glaube ist Vermittlung, weil er einerseits gelehrt werden muss, andererseits des Geistes Gottes bedarf. Neben dem Vermittelten gibt es noch das Unmittelbare. Das zeigt schon die Tatsache, dass ein Glaube ist, d.h. Sein ist. Gewissheit ist kein Indiz für Wahrheit. In die Wahrheit führt der Geist Gottes. Der Glaube an Gott soll gehaltvoll sein, soll einen Inhalt haben, der objektiv ist. Deswegen ist der rein subjektive Standpunkt zu verlassen. Dazu ist es nötig, das Gefühl zu beleuchten.

Der Glaube als eine spezifische Form der Selbstbesinnung grenzt seine Unmittelbarkeit gegen jedes äußere Vermitteln ab.

4. Vorlesung

"Gefühl ist...ungetrennte Innigkeit."1 Der Glaube soll alle Gegenständlichkeit verlieren. Die Einheit aller Gefühle liegt im Herzen. Gefühle sind bestimmt, d.h. sie haben einen Inhalt: "Das Gefühl ist die gemeinschaftliche Form für den verschiedenartigsten Inhalt."2 Der Inhalt also muss unabhängig vom Gefühl wahrhaft sein.
Eine Beschränkung auf das Gefühl führt zur Willkür des Inhalts und zur Vereinzelung. Dagegen ist das Allgemeine allen Menschen zugänglich, umfasst alle Bereiche (Religion, Recht, Sitte).

Die Gefühlsregungen des Glaubens sind kein Kriterium für Wahrheit.

5. Vorlesung

"...der Inhalt des Herzens soll Gehalt haben; ...der Gehalt ist so wesentlich an sich Gedanke und im Gedanken."3 Der Gedanke unterliegt seiner Notwendigkeit, welcher er sich bewusst werden muss. Die Notwendigkeit ist eine objektive Bewegung, die zugleich eine Erhebung des Menschengeistes zu Gott ist. Das Erkennen folgt dem Gang der Sache selbst: diese ist, das Verhältnis des Erkennens zu Gott selber zu entwickeln. Wenn sich nun der Geist zu Gott erhebt, hebt sich die Subjektivität auf.

|| Erhebung zu Gott = Aufhebung der Subjektivität ||

Es geht um eine Lehre von Gott, nicht nur um eine Lehre von Religion. Auf diese aber reduziert sich eine Lehre, die von der Unerkennbarkeit Gottes ausgeht. Das Verhältnis zu Gott bleibt hier eine einseitige Beziehung. Der Sinn der Religion ist der, Gott in Beziehung zu unserem Geist zu setzen. Wer einräumt, von Gott nur zu wissen, dass er sei, aber nicht, was er sei, spricht damit zumindest vom Sein. Dieses aber ist Produkt des Gedankens. Gott ist nicht neidisch, sondern er hat sich dem Menschen gleich gemacht. Zudem will Gott die Menschen am Höchsten teilhaben lassen: ihn zu erkennen. Das natürliche Licht behält seine Helligkeit, wenn es an andere weitergegeben wird. Der Geist bleibt im Besitz des Seinigen, auch wenn er es an andere weitergibt. Sollte Gott uns die Natur überlassen und den Geist verweigern? Gott offenbart sich nicht in der Natur, sondern im Geist, der Denken ist. Er wird erkannt, weil Gottes Selbstbewusstsein im Menschen ist.

So, wie eine Flamme bei der Weitergabe des Lichtes nichts von ihrer Helligkeit einbüßt, gibt auch der Geist Gottes sein Licht weiter.

6. Vorlesung

Die Erhebung des Geistes zu Gott schließt die Kritik ein. Aus ihr wird der affirmative Gehalt gewonnen. Eine historische Betrachtung der Gottesbeweise verfehlt schnell die Tatsache, dass es um ewige Wahrheiten des Geistes geht.

Kritik des Beweises ex consensu genitum:

Diesem Konsensbeweis liegt ein Abstraktum von Gott zugrunde. Der Beweis gründet in bloßer Subjektivität von Religion.

Glauben ist ein Sich-Erinnern des Geistes. Er beruht auf Freiheit, die dann reell ist, wenn der Christ in der Sache befriedigt ist. Kriterium für Wahrheit ist das Zeugnis des Geistes. Für den denkenden Geist ist der metaphysische Beweis ein solches Zeugnis.
Die Erhebung des Geistes zu Gott ist konkret, d.h. sie ist Gefühl, Anschauung, Phantasie und Gedanke. Diese Momente müssen dargelegt und zu Bewusstsein gebracht werden.

Die freie Kritik an den Gottesbeweisen bringt deren Momente zu Bewusstsein.

7. Vorlesung

Die Erhebung des Geistes zu Gott ist eine denkende Betrachtung. Gott denkend zu betrachten heißt, die Momente des Gottesbegriffes auseinander zu legen. Der Verstand hat bei den Gottesbeweisen den Begriff Gottes von dessem Sein und von seinen Eigenschaften getrennt. Die hier betrachtete Erhebung soll leisten, mit dem Begriff Gottes auch Sein und Eigenschaften zu klären. Der Begriff ist konkret, d.h. Einheit von Bestimmungen. Diese Einheit findet sich nicht in einem Dritten, sondern ist in sich selbst. Die Natur des Begriffes wird in der Logik gezeigt. Jede Begriffsbestimmung ist ein konkreter Begriff Gottes, ein Moment des absoluten Begriffes. Der an sich seiende Begriff setzt sich ein Anderes, er nimmt verschiedene Stufen des Erscheinens an, die in notwendigem Zusammenhang stehen.

Die Erhebung des Geistes zu Gott ist eine denkende Betrachtung des Begriffes von Gott.

8. Vorlesung

Es gibt viele Gottesbeweise, was, dem wissenschaftlichen Brauch entsprechend, für Gott zu sprechen scheint: je mehr Beweise angeführt werden können, desto glaubwürdiger ist der Gegenstand. Zugleich berührt Gott nur das Innere des Subjekts – der einzelne Gottesbeweis wird so für den Gläubigen zu einer Gotteserfahrung. Das Feld des Glaubenslebens (der Einzelne in seinen wechselnden Stimmungen, ein veränderliches Individuum, das seinen Glauben stets erneuert) ist von der Wissenschaft zu unterscheiden: dies bringt mannigfachen Inhalt in die Gestalt eines Gedankens. Ausgangspunkt für den Gottesbeweis ist zum einen das Endliche, zum anderen der Begriff Gottes im Subjekt. Jeder dieser Anfänge führt im Verlauf des Schließens zu unterschiedlichen Bestimmungen Gottes. Dieses nun könnte man darauf zurückführen, dass ein Subjekt viele Prädikate habe. Aber Gott ist der Eine und ist keine endliche Existenz, deren Sein dem Begriff unangemessen wäre. Die Vielheit ist ein Merkmal der Endlichkeit, die Entwicklung von Momenten dagegen ist das Merkmal Gottes.

Jeder einzelne Gottesbeweis weist auf ein Moment des spekulativen Begriffes hin.

9. Vorlesung

Gottesbeweise verbinden das Sein Gottes mit dessem Gedanken. Ausgehend davon, dass Wahrheit sich als Gedanke ausdrückt, führt der Gottesbeweis entweder von einem bestimmten Sein zum wahrhaften Sein, d.h. zum Gedanken Gottes, oder er führt vom Gedanken zum Sein der Wahrheit. Diese Parallelität von Sein und Gedanke liegt in der logischen Natur des Begriffes: in sich konkret, eine Einheit von Bestimmungen.4 Bestimmungen hängen zusammen als Übergehen, als Scheinen und als Entschluss zum Schein. Für HEGELs Gottesbild sind Sein und Begriff grundlegend. Mit ihnen leitet er zwei Grenzfälle ab: der Begriff verliert sich nach seinem Übergang ins Sein, das Sein, welches zum Scheinen wird, findet keine Einheit.

Im ersten Fall wird Gott zur Natur, im zweiten Fall bildet sich der Mensch als Teil der Natur Gott lediglich ein. In beiden Grenzfällen wäre Gottes Liebe unfruchtbar, schüfe es einen Schein, der Anderes gegen ihn bleibt.

10. Vorlesung

Ausgangspunkt der einen Beweisgruppe ist die Welt: ihre Zufälligkeit, ihre empirischen Dinge. Die Welt ist ein Aggregat weltlicher Dinge.
Der Geist erhebt sich aus der Welt so zu Gott, dass die Welt das unwahre, Gott das wahre Sein ist. Dies ist eine noch unvollkommene Erhebung zu göttlichen Prädikaten.
Diese Erhebung ist Religion, d.h. sie ist abstrakt, allgemein. Das Prinzip des unmittelbaren Wissens bleibt bei dieser Erhebung stehen. Sie aber ist Vermittlung: ihr Anfang sind weltliche Dinge, von denen sie zum Anderen fortgeht.
In der Erhebung wird von abstrakten Gedankenbestimmungen ausgegangen: Endlichkeit, Zufälligkeit, aber auch Unendlichkeit, absolute Notwendigkeit. Erst der Bildungsstand zu HEGELs Zeit mache es möglich, sich ganz in Gedankenbestimmungen bewegen zu können. Bildung ist Vermittlung.
Die Erhebung wird zum Gottesbeweis, wenn sie die Momente des Prozesses auseinandersetzt, das denkende Wirken zu Bewusstsein bringt. Sowohl der Glaube als auch der kritische Verstand sind gegen diese Exposition. Der Glaube will sich an die Erhebung halten und sich durch mangelhafte Beweise nicht verunsichern lassen. Aber damit die Erhebung nicht durch falsche Geister verfälscht werde, muss ihre Notwendigkeit gezeigt werden. Der Boden dieses Tuns ist die Abstraktion: er ist schwer zu begehen und durchaus gefährlich (Sündenfall).
Vom Ausgangspunkt eines Beweises hängt sein Ziel ab. Endliche Bestimmungen führen zu unendlichen. Alle diese Gedankenbestimmungen erschöpfen Gott nicht. Daher sind unzählige dieser Beweise denkbar.
Diese Vielheit liegt im Begriff. Seine Entwicklung ist ein Auseinander, das sich zugleich vertieft. Jede endliche Kategorie erhebt sich in ihre Unendlichkeit. Logik = metaphysische Theologie. Sie betrachtet die Idee Gottes im Äther des reinen Gedankens.
Es ist geschichtliches Faktum, dass der kosmologische Beweis von der Zufälligkeit ausgeht. Dem entspricht aber, dass Zufall-Notwendigkeit alle Verhältnisse der Endlichkeit-Unendlichkeit zusammenfassen. Das wesentliche Sein ist Wirklichkeit, welche als absolute Notwendigkeit bestimmt ist.
Die Wahrheit der Notwendigkeit ist die Freiheit. Sie eröffnet die Sphäre des Begriffs. Die Bewegung des Begriffes führt zum Verhältnis, die des Zweckmäßigen zum Zweck (teleologischer Gottesbeweis). Aber der Begriff ist nicht nur im Gegenständlichen versenkt, sondern ist frei für sich.

11. Vorlesung

Der Schluss von der Zufälligkeit der Welt auf ein in sich Notwendiges wird vorgeführt. Die zufälligen Dinge werden beschrieben; ihre Wirklichkeit hat den Wert einer Möglichkeit. Ebenso wie die Dinge sind auch die Gesetze zufällig. Die Notwendigkeit ist äußerlich. Über äußerliche Notwendigkeit und negative Unendlichkeit erhebt sich der Geist zur wahren Notwendigkeit: in sich geschlossen, in sich bestimmt.
Es stellen sich zwei Fragen:

  1. Stellt das Denkenden Gang der Erhebung richtig dar?
  2. Ist das Denken selbst zu der Erhebung gerechtfertigt?

Diese Fragen werden in der Logik behandelt, die eine Metaphysik ist.
Zentrale Begriffe werden im folgenden zusammengetragen, was als solches bereits Spekulation ist. Zufälligkeit ist Vereinzelung. Der Zusammenhang mit anderen, der die Notwendigkeit ausmacht, fehlt. Im Zusammenhang mit anderen geht der Schein der Selbständigkeit, den eine zufällige Einzelheit hat, verloren. Selbständig ist die Notwendigkeit: das Notwendige ist, weil es ist. Die Unterscheidung von Zufälligkeit und Notwendigkeit zerfällt. Ihr Gegensatz wird aufgehoben in ihrer wahrhaften Einheit: die Vermittlung mit Anderem ist Vermittlung mit sich selbst. Das ist die absolute Notwendigkeit.

12. Vorlesung

Die absolute Notwendigkeit ist ein Beruhen in sich selbst, eine Identität, die auch dem vereinzelten Denken zukommt. Aber die absolute Notwendigkeit enthält den Zusammenhang mit Anderem aufgehoben in sich. HEGEL spricht bildhaft vom Umbiegen zum Verhalten zu sich selbst.
Der Geist findet Frieden im Gedanken der absoluten Notwendigkeit, dass alles ist, weil es notwendig so ist. HEGEL führt als Beispiel die Griechen an, wie sie sich dem Schicksal unterwarfen. Das gelingt dem Geist, wenn er allem Inhalte entsagt. Die Gewalt des Verhängnisses verkehrt er in Freiheit: äußerliche Zwänge haben ihre Wurzeln im Innern, und das Innere ist sein.
Freiheit wird erlangt durch das Aufgeben konkreter Interessen. Sie zieht sich in sich zusammen und setzt das Besondere außer sich. Diese Entzweiung, konkrete Interessen zu haben und ihrer gleichzeitg entsagen zu wollen, macht unglücklich. Zufriedenheit erlangt man, wenn man entweder seine konkreten Interessen erfüllen kann oder sich in das Nichterfüllen fügt. Die Freiheit dieser Abstraktion ist schmerzvoll. Aber dieser Schmerz braucht keinen Trost. Denn Trost setzt Anspruch voraus.
Über der Verklärung der Notwendigkeit zur Freiheit liegt Trauer. In der Bestimmtheit der Verklärung liegt ein Mangel.

13. Vorlesung

Die Erhebung des Geistes zu Gott wird jetzt mit dem förmlichen Beweisgang verglichen. "Weil das Weltliche zufällig, so ist ein absolut notwendiges Wesen." Der Beweis ist das Verhältnis zweier Existierender, eine äußerliche Notwendigkeit, die der Zufälligkeit verfällt. Er drückt das Verhältnis des Bedingten zu seiner Bedingung aus. Aber der Beweis drückt keine objektive Bedeutung aus, sondern nur unser Erkennen. Der Mangel liegt nicht im Inhalt des Beweises (absolute Notwendigkeit), sondern in seiner Form. Nun ist das Erkennen subjektiv und endliches Tun. Es müsste den Inhalt in sich haben. Im Untersatze ("es ist eine zufällige Welt") wird ein Seiendes angesprochen, dessen Bestimmung es ist, ein Ende zu haben. Das Zufällige hat den Wert einer Möglichkeit. In der Form des Schlusses werden zusammenhängende Bestimmungen in ein äußerliches Verhältnis gebracht. Das Absolut-Notwendige wird nicht als das ganze Sein dargestellt, welches in sich zurückgegangene Vermittlung ist. Die absolute Notwendigkeit ist, weil das Zufällige verschwindend, weil es Erscheinung ist. Dem Verstandesschluss fehlt das Moment des Negativen (=mit sich selbst vermitteln durch Aufheben des Anderen). Er ist darum endliche Tätigkeit, nicht notwendige, wahrhafte Bewegung. Dieser Schluss drückt die Welt der Erscheinung und die Welt der Wahrheit auf gleiche Weise aus: in Form von Sätzen, die über beide Welten etwas aussagen und die miteinander verbunden werden. Das "Also" des Schluss-Satzes enthält Momente des Wahren: Negation der Vermittlung durch Anderes und der vermittlungslosen Unmittelbarkeit. In den Sätzen: "Das Zufällige ist" und: "Das an und für sich notwendige ist" ist das Sein als gemeinschaftliche Grundlage zweier Gedankenbestimmungen angesehen, die unterschiedlichen Wert haben. HEGEL geht auf den Zusammenhang von Sein und Begriff nicht weiter ein, sondern bleibt beim Moment des Gemeinschaftlichen: zufälliges und absolut-notwendiges Sein. HEGEL formuliert den Schlussatz anders. s.o. Er drückt nun ein Zugleich von zufälligem und absolut-notwendigem Sein aus. s.o. Das Zugleich erscheint als Widerspruch, der auf zweierlei Art aufgelöst werden kann: Sein des Zufälligen als Sein seines Anderen, des Absolut-Notwendigen oder s.o. Sein des Zufälligen als eigenes Sein, ohne Bezug zum Absolut-Notwendigen. Der erste Satz gehört dem spekulativen Denken an, der zweite dem Verstand. Am Verhältnis von Endlichem-Unendlichem ist das gleiche festzumachen: die Beziehungslosigkeit beider Seiten.

14. Vorlesung

Die Beziehungslosigkeit ist logisch und findet sich auch im gewöhnlichen Bewusstsein vor. Auch wenn eine Trennung von Endlichem und Unendlichem behauptet wird, macht der Geist den Übergang wirklich. Die Trennung aber führt zur Verabsolutierung des Endlichen: das Sein des Endlichen enthält nicht den Übergang ins Andere. Dass die Wissenschaft der Religion diese Verabsolutierung mitmacht, führt HEGEL auf den Verlust an innerem Gehalt zurück. Das gewöhnliche Bewusstsein räumt den Übergang ins Unendliche durchaus ein, rechnet ihn aber dem Glauben zu. Doch alles Glauben ist im Kern Denken und Geist, welches erst das Erkennen bewusst macht. Das Erkennen spricht den Übergang ins Unendliche aus. Das gewöhnliche Bewusstsein sieht den Übergang ins Unendliche als einen Sprung, nicht als wesentlichen Zusammenhang. Die Akte des Geistes, unmittelbares und vermitteltes Wissen, bleiben beziehungslos. Das Endliche wird nur als negatives Verhalten zum Unendlichen bezogen: im Unendlichen gehe das Endliche unter, könne es sich nur abschottend bewahren. So aber erlangt das Unendliche keine Macht im Endlichen: Wahrheit und Sittlichkeit kämen nicht ins Endliche, das Unendliche gewönne im Endlichen keine Gegenwart oder Wirklichkeit. Der Erkennende muss nicht, braucht nicht absolut zu sein, um Gott zu erkennen. Der Fromme ist es ja auch nicht. Der größte Reichtum an Bestimmungen findet sich im Konkreten. Ein kritischer Verstand, der die Erkennbarkeit Gottes bestreitet, arbeitet sich an schlechten Abstraktionen von Endlichkeit und Unendlichkeit ab. Der einzelne Mensch ist endlich in Raum und Zeit, in Intelligenz. Ein Verstand, der diese Endlichkeit festhält, stellt sich gegen Gottes Größe und Güte: er bestreitet, dass Gott im Einzelnen zu finden sei. Im Vergehen des Seins, in der Negation des Jetzt zeigt sich die Negation des Endlichen, die HEGEL das Unendliche nennt. Geist: unsterblich, ewig, Insichsein, Denken. Eine Trennung von Subjekt und Objekt ist nicht entscheidend; es kommt auf die richtige Auffassung an. Der Zusammenhang des Endlichen mit dem Unendlichen wird im gewöhnlichen Bewusstsein wie in der Wissenschaft nur anhand endlicher Kategorien betrachtet. In den Gottesbeweisen geht es aber um eine Gemeinschaft: die Gottes mit den Menschen. Ein Mensch kann nur von Gott reden, insofern der Geist Gottes in ihm ist.

15. Vorlesung

Hier soll die spekulative Seite des Zusammenhangs von Endlichem und Unendlichem entwickelt werden. Die Vorstellung ist reicher als der abstrahierende Verstand. Im Affirmativen, Dasein, Existenz ist nicht nur die Bestimmung des Seins, sondern auch des Endes zu zeigen. Der Widerspruch des spekulativen Denkens ist konkret, d.h. inhaltsvoll, das Nichts des Verstandes ist abstrakt, d.h. inhaltsleer. Das Zufällige ist die Welt als Affirmatives. Seine wahrheit hat es im Absolut-Notwendigen. Dieser Übergang wird vom Geiste nachvollzogen. Die Analyse des Zufälligen ergibt, dass weltliche Existenz und ihre Negation sich aufeinander beziehen: Vermittlung durch Anderes. Die Zufälligkeit ist Übergehen an ihm selbst, ist Sichselbstaufheben. Durch Vermittlung mit sich selbst löst sich Zufälligkeit auf. - Beide Momente der Vermittlung finden sich sowohl im Zufälligen wie in der Notwendigkeit. Spekulatives Betrachten zeigt, wie sich das Zufällige an ihm selbst auflöst. Zunächst ist dieses Betrachten eine äußerliche Analyse, dann aber zeigt es, dass das Zufällige selbst in seine Wahrheit umschlägt. Der Geist erhebt sich zu Gott, indem sein Geist unser Denken treibt. Der Instinkt des Denkens spricht schon die Welt, das Zufällige aus als das, was sie ist: auf das Andere ihrer hinzeigend. Das verständige Denken sieht das Absolut-Notwendige als Zusammenhang des Einen mit dem Anderen. Aber das Absolut-Notwendige ist auch, den Zusammenhang abzubrechen, das Hinausgehen in sich zurückzubringen und zu gewähren: das Absolut-Notwendige ist, weil es ist.

16. Vorlesung

Nachdem das Dialektische (="absolute Flüssigkeit der Bestimmungen") betrachtet wurde, geht es nun um das Resultat. Das Resultat ist das absolut notwendige Wesen, das sich durch Selbstaufhebung vermittelt. Religionen, die das absolute Wesen anerkennen, erscheinen oft reicher, ihr Prinzip verletzend. Deswegen ist zu untersuchen, ob dieser Reichtum bloße Phantasie ist, oder er aus geistiger Freiheit hervogeht. HEGEL führt als Beispiel die griechische Religion an. Der absoluten Notwendigkeit stehen die zufälligen Dinge gegenüber. Diese zeigen sich als Erscheinung der Notwendigkeit, die in allem unmittelbar gegenwärtig ist. Die Notwendigkeit, die hier entwickelt ist, führt zum Pantheismus. Dessen reinste Form ist Brahamismus der indischen Religion: in ihm wird das Denken zur welterschaffenen Kraft. Es bringt aber nur vergängliche Götter hervor, gelangt nur durch Verneinen seiner selbst zur substantiellen Einheit. Das Prinzip der Individuation steht inkonsequent gegen die substantielle Macht, bringt aber keine Persönlichkeit hervor. Die Erhabenheit orientalischer Religionen schaut in Allem das Eine an. Der Pantheismus vergöttert das Endliche nicht, sondern setzt es als Offenbarung des Einen. Ein vom Christentum verzogener Schulverstand diffamiert den Pantheismus. Er tut dies, indem er das Endliche als seiend belässt und nicht als Aufgehobenes in der Einheit in der Einheit mit dem Göttlichen nimmt. Die philosophischen Systeme der Substantialität (Eleaten, SPINOZA) kommen über die Einseitigkeit der Verstandesbestimmungen nicht hinaus: sie sprechen das absolut Eine aus, aber nicht, wie dieses sich in der Welt manifestiert. Sie kommen nicht zur Erkenntnis des "Unbewegten, welches bewegt"(ARISTOTELES). a) Es ist treffend, das Absolute als causa sui, als Ursache und Wirkung seiner selbst zu bezeichnen. Das Kausalitätsverhältnis hat wesentlich das Moment der Vermittlung durch Anderes. Ursache und Wirkung haben nur Sinn in ihrer Beziehung zueinander. Sie sind untrennbar und schlechthin verschieden. Der Verstand hält Beziehungslosigkeit fest. Die Ursache hat nur Sinn in ihrer Wirkung, sie ist durch die Wirkung mit sich selbst vermittelt. Konzept: das Selbst ist Vermittlung durch Anderes. In der Auseinandersetzung mit JACOBI führt HEGEL das Lebendige an: seine Selbsterhaltung ist Entstehen, Veränderung, Vermittlung mit Anderem, die sich selbst hervorbringt. Der Standpunkt der Vernunft weiß, endliche Verhältnisse aufzulösen. Die Systeme der Substantialität kennen dialektische Entwicklung nicht. b) Aus dem philosophiegeschichtlichen Exkurs lassen sich wichtige idealistische Gedanken herauslesen: Substanz ist denkend, ist sich in sich bestimmende Tätigkeit. Das Eine ist die sich entwickelnde Notwendigkeit, ist Prozess der Selbstvermittlung. c) Weiter: die Welt ist äußerliches Dasein, Schein. Der Schein hängt mit der Substanz zusammen. So, wie die Substanz das Bewegende ist, ergibt sich die Methode, wie diese Welt beschrieben wird. Die Substanz besondert sich zur Welt.

[Text wird fortgesetzt.]


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